Freihandel: kein gerechter Tausch
Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA oder EPA sind für die Entwicklungsländer von Nachteil. Nur scheinbar gleichberechtigte „freie“ Partner würden Verträge abschließen, in Wirklichkeit zementierten solche Verträge die ungerechten Austauschbedingungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Dies sagte der Grünen-Politiker und Mitbegründer der Attac-Bewegung in Deutschland, Sven Giegold, in Münster auf der Jahrestagung Entwicklungspolitik kirchlicher Eine-Welt-Gruppen.
Giegold, seit zehn Jahren Mitglied im Europäischen Parlament, war einer von mehreren Referenten und Referentinnen auf der Jahrestagung Entwicklungspolitik. Das Treffen der Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen stand unter dem Titel „(Freier) Welthandel. Fluch und Segen?“. Dazu waren mehr als 170 Frauen und Männer Mitte Januar in die katholische Akademie Franz-Hitze-Haus gekommen. Ergänzend bot die Universität Münster ein entwicklungspolitisches Seminar an.
Den grundlegenden Vortrag hielt der Politiker, Wissenschaftler und Publizist Dr. Heiner Flassbeck, viele Jahre Chef-Ökonom der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD). Er ordnete das Thema Freihandel oder Protektionismus in einen größeren Zusammenhang ein: „Wenn man keine vernünftige wirtschaftliche Grundordnung hat, bleiben sowieso alle anderen Bestrebungen sinnlos.“ Und zweckfreie Zuwendungen gebe es ohnehin nicht, denn „die armen Länder bekommen nicht nur unser Geld, sie müssen auch unseren neoliberalen Gedanken übernehmen“.
Dr. Jean-Gottfried Mutombo, aus dem Kongo stammender Pfarrer in der westfälischen Landeskirche, stimmte die Teilnehmer und Teilnehmerinnen spirituell und theologisch ein. Mit Blick auf das bekannte Paulus-Wort vom Leib und den vielen Gliedern verwies er auf den Zustand der heutigen Welt, die von Wohlstand und Armut am selben Leib bestimmt ist.
Wie auch bei den vorhergehenden Jahrestagungen konnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen verschieden Aspekte des weiten und differenzierten Themas in Workshops vertiefen. Dabei ging es u.a. um Lateinamerika, um China – und um Afrika.
Im Afrika-Workshop beleuchtete Dr. Boniface Mabanza die ökonomischen Beziehungen mit der EU, gipfelnd in den umstrittenen EPAs (Economic Partnership Agreement). Ziel der von der EU betriebenen Handelsverträge ist die Öffnung der afrikanischen Märkte für europäische Produkte. Was auf den ersten Blick durchaus von gemeinsamem Interesse zu sein scheint, habe in Wirklichkeit für die afrikanischen Länder viele Pferdefüße. Sie werden auf wichtige Zolleinnahmen verzichten müssen, ihre ohnehin schon bescheidene Industrialisierung gerät unter Konkurrenzdruck und die bekannterweise problematische Ernährungssouveränität wird durch die Exporte von Milch, Fleisch oder Hähnchen aus Europa gefährdet. Da kann es kaum verwundern, dass ein ehemaliger Präsident aus Malawi polemisch fragt: „Wenn die EPAs angeblich so gut für uns sind, warum werden wir dann gezwungen, sie zu unterschreiben!?“
Als Fazit auf die im Tagungstitel gestellte Frage, ob der Freihandel gleichermaßen Fluch und Segen sei, blieb bei vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf der Fahrt zurück an den Niederrhein, ins Sauerland oder ins Ruhrgebiet wohl dieser Satz von Sven Giegold im Gedächtnis: „Das Konzept eines freien Welthandels ist ein durchsichtig ideologisches Konzept, um das dahinterliegende sogenannte Recht des Stärkeren durchzusetzen.“